Ein Morgengott?
Bis heute findet sich in der Literatur die bereits auf Melanchthon zurückgehende These, daß der Name der Stadt Jüterbog im Fläming von slaw. Jutrobog (Morgengott) abgeleitet sei. Ein solcher Gott ist jedoch nirgends belegt (dennoch ist nicht auszuschließen, daß es sich um die lokale Ausprägung eines Sonnengottes gehandelt haben könnte). Eine andere Deutung bezieht sich auf altsorb. bok, "Seite, Flanke, Abhang" (und auf reiner Volksetymologie beruht der Bock im Stadtwappen). Ebenfalls von geographischen Gegebenheiten geht eine dritte Interpretation aus, die derzeit für die plausibelste gehalten wird: Danach ist slaw. -bog auf germ. -bak, "Bach", zurückzuführen, und "Jutro", das auf einer indogerm. Wurzel aued-/aud-/ud mir r-Erweiterung (vgl. udros = Wassertier, Otter) beruht, von den einwandernden Slawen übernommen bzw. umgedeutet worden. Spätvölkerwanderungszeitliche und frühslawische Funde sprechen für Kontakte zwischen germanischen und slawischen Stämmen.
Schwarzer Gott und Weißer Gott
Auch die Namen der südöstlich von Bautzen am Rand des Lausitzer Berglandes gelegenen Berge Czorneboh und Bieleboh ("Schwarzer" bzw. "Weißer Gott") wurden von der romantischen Sagenforschung mit zwei Gottheiten in Verbindung gebracht, die auf ihren Gipfeln verehrt worden seien. Ihr Gegensatz entspräche dem für das slawische Heidentum insgesamt charakteristischen Dualismus (vgl. Altslawische Religion). Haupt ("Sagenbuch der Lausitz", S. 7), der sich u.a. auf Karl Benjamin Preusker bezieht, erwähnt einen anderen sorbischen Namen des Czorneboh - Prašwica ("Frageberg") - und leitet ihn wegen der dort angeblich befragten Orakel von prašeć („fragen“) ab. Dieser auf Abraham Frencel zurückgehenden Deutung widersprach der sorbische Volkskundler Jan Awgust Jenč, indem er eine Abstammung von obersorb. prašiwy ("räudig, krätzig, schlecht, verkommen, elend") annahm.
Besonders umstritten ist die Frage nach der Existenz einer heidnischen Kultstätte auf dem Czorneboh. Auf der Felsengruppe des sogenannten Hochsteins befindet sich eine vorgeschichtliche Wallanlage, die Preusker als Opferplatz gedeutet hat. Auch im Umland des Czorneboh sind zahlreiche Burgwälle aus slawischer Zeit erhalten, so daß eine religiöse Nutzung diverser Stätten auf dem Berg durchaus wahrscheinlich ist. Insbesondere wurde dies von der auffälligen Felsenformation auf seinem Gipfel vermutet, in der man heidnische Altäre, Opferbecken und das "Frageloch" zu erkennen glaubte: "Noch zeigt man den Kessel, in dem die Priester sich wuschen, die Kanzel, von wo herab sie das Volk anredeten, und den Altar, wo die Opfer gebracht wurden" (Haupt, S. 7).
Daneben finden sich christliche Topoi wie der "Teufelsfuß", ein Stein mit einer Mulde in Form eines Hufes, oder das „Teufelsfenster“. Um den Czorneboh und seine Felsen ranken sich zahlreiche Sagen wie z.B. „Die Koboldkammer auf dem Czornebog“, „Das Teufelsfenster am Czorneboh“, „Das Veilchen vom Czorneboh“, „Das Teufelsbecken auf dem Czorneboh“, „Der Goldkeller am Frageberg“ und „Tschernebog und Bielbog". Vom Bieleboh wird weniger berichtet; man hat den "Gott des Glücks", den Helmold von Bosau beiläufig in diesem Zusammenhang erwähnt, mit Swantewit zu identifizieren versucht.
In jüngster Zeit hat die These von kultischen Nutzungen der Gesteinsformationen auf dem Czorneboh durch die archäoastronomischen Forschungen der Volks- und Schulsternwarte „Bruno-H.-Bürgel“ in Sohland/Spree neuen Auftrieb erfahren. Insbesondere die Felsbrocken "Ente" und "Teufelskanzel von Rachlau" (heute meist "Teufelstisch" genannt) könnten kalendarischen Sonnenbeobachtungen gedient haben und dazu von Menschenhand modiziert worden sein. So wird z.B. am "Teufelstisch" die Sonne genau zur Wintersonnenwende in einem Loch sichtbar.
Götter und Spukgestalten
Unsicher sind des weiteren eine Todes- und zugleich Erntegöttin, deren Name Morzana oder Marzana sich möglicherweise in diversen Ortsnamen ("Marzahn") wiederfindet und die mit dem Brauch des Tod- bzw. Winteraustreibens in Verbindung gebracht wird; vergleichbar sind eine Todesgöttin - oder eher ein Gespenst - namens Smertniza, die sich als "weiße Frau" in einem Hause zeigt, in dem innerhalb der nächsten drei Tage jemand sterben wird, und ein böser weiblicher Geist mit Namen Mara, dessen Erscheinen Seuchen ankündigt. Zur Mittagszeit sollte im Wald die Jagdgöttin Dziwica, eine Art wendische Artemis oder Diana, Schrecken verbreiten - ähnlich der Mittagsfrau in der Niederlausitz, die denjenigen um zwölf Uhr erscheint, die in der Sommerhitze keine Pause zur rechten Zeit eingelegt haben. Sie stellt dem von ihr Angetroffenen eine Frage, die seine landwirtschaftliche Arbeit betrifft, und wenn er klug zu antworten und eine Stunde lang zu reden weiß, schont sie sein Leben.
Eine andere Sage handelt von einem Schutzgott der Hirten Honidlo - tatsächlich bezeichnet dieser Begriff jedoch den Hirtenstab (siehe A. Černý, Mythiske bytosće, ČMS 1897, S. 103, www.serbski-institut.de/mat/dnlarchiv/cms_1897_191.pdf). Noch unsicherer sind die "Schlummergöttin" Drjemotka (eigentlich nur eine Personifikation des Schlummerns, S. 104/5) oder der Liebes- und Fruchtbarkeitsgott Prepilega oder Pripagela, der mit dem röm. Priapus verwandt ist und wie dieser mit sexuellen Riten geehrt worden sei.
Die Prillwitzer Idole
Eine archäologische Jahrhundertfälschung waren die sogenannten Prillwitzer Idole. Der Neubrandenburger Arzt Joachim Jaspar Johann Hempel entdeckte 1768 im Besitz der Familie Sponholz bei einem Krankenbesuch mit germanischen Runen beschriftete Bronzefiguren - zunächst einen Löwen, bei einem zweiten Termin noch 34 weitere -, die ein Vorfahr der Familie, wie der Goldschmied Gideon Nathanael Sponholz und seine beiden Brüder erzählten, im Pfarrgarten von Prillwitz am Tollensesee entdeckt habe. Der begeisterte Antiquitätensammler Hempel erwarb alle 35 Figürchen; weitere 22 plötzlich aufgetauchte wurden bald darauf vom Herzog von Mecklenburg-Strelitz angekauft.
Der Fund galt vor allem deshalb als Sensation, weil auf einigen Figuren der Name "Rethra" stand und man nun glaubte, endlich das sagenumwobene Heiligtum lokalisieren zu können, das man seinerzeit - und zum Teil auch heute noch - am Tollensesee vermutete. Warnende Stimmen gab es bereits damals, sie wurden aber überhört. Gideon Sponholz führte mit herzoglicher Genehmigung weitere Schatzgrabungen durch und richtete in Neubrandenburg ein privates Museum ein. Erst seit 1850 steht sicher fest, daß die Figuren von den - mittlerweile längst verstorbenen - Sponholz-Brüdern selbst hergestellt worden sind. Heute gehören die Prillwitzer Idole zum Bestand der Sammlungen des Mecklenburgischen Volkskundemuseums Schwerin-Mueß. Unter dem Titel "Gefälschte Wendengötter" waren die skurrilen Figuren, bei denen sich verschiedene Stile mischen, 2005/6 auch im Wendischen Museum in Cottbus zu sehen.