Prove

Wenig ist über den wendischen Gott des Rechtes bekannt; er teilt dieses Schicksal mit seinem nordischen Vetter Forseti. Bei den Wagriern, einem Teilstamm der Obodriten und dem am weitesten westlich siedelnden Slawenstamm überhaupt, war ihm ein Hain in Starigard (heute Oldenburg in Holstein) gewidmet, in dem sich Volk und Priester montags versammelten, um Gericht zu halten. Sonst durfte der Hain, außer von Priestern und Leuten, die dem Gott ein Opfer darbrachten, nicht betreten werden; wer sich in Lebensgefahr dorthin flüchten konnte, genoß Asyl. Ein anderer Gerichtshain soll in Plune (wohl vom altpolabischem *płońa  "eisfreie Fläche im See"), dem heutigen Plön, in der Nähe der Insel Olsborg am Großen Plöner See gelegen haben. Sein Götterbild stand auf einer Säule, hatte in der einen Hand einen Pflugsterz und in der anderen einen Speer, an dem eine Fahne hing. Sein Kopf soll mit einem Kranz umwunden gewesen sein.

 

Helmold von Bosau berichtet anschaulich, wie der Oldenburger Bischof Gerold im Jahre 1156 bei seiner Missionierung der letzten noch heidnischen Slawen dieser Gegend das Standbild des Prove eigenhändig umstürzte und die uralten heiligen Eichen des Hains verbrennen ließ:

 

"Als wir zu jenem Hain und Hort der Unheiligkeit kamen, rief uns der Bischof auf, tüchtig zuzupacken und das Heiligtum zu zerstören. Er sprang auch selbst vom Pferde und zerschlug mit seinem Stabe die prächtig verzierten Vorderseiten der Tore; wir drangen in den Hof ein, häuften alle Zäune desselben um jene heiligen Bäume herum auf, warfen Feuer in den Holzstapel und machten ihn zum Scheiterhaufen, in steter Angst, von den Eingeborenen überfallen zu werden. Doch Gott schützte uns."

 

Der Baumfrevel des Bischofs erinnert an die Fällung der Donarseiche im nordhessischen Geismar (heute ein Ortsteil von Fritzlar) im Jahre 723 durch Bonifatius. Im 8. Jhdt. war die Heidenmission noch ungleich gefahrvoller; bei den Chatten war Bonifatius durch eine überlegene fränkische Streitmacht geschützt, aber gut dreißig Jahre später fand der "Apostel der Deutschen" 754 oder 755 bei der Mission der Friesen einen gewaltsamen Tod. Im 12. Jahrhundert scheint das Heidentum in den westlichsten Teilen des slawischen Siedlungsraumes nicht mehr sonderlich stark und der Druck von Kirche und christlicher Obrigkeit so groß gewesen zu sein, daß man die Entweihung des Hains schicksalsergeben geschehen ließ. Dennoch herrschte noch lange Zeit eine geheime Scheu an den einstmals heiligen Plätzen: Werner Meschkank erwähnt im Zusammenhang mit dem Prove-Hain die Entweihung der heidnischen Gerichtsstätte "Banneick" - also eines Eichenhains, um den ein Bann lag - zwischen Bösel und Wustrow im Lüneburger Wendland, bei der eine alte Eiche von Zisterziensermönchen gefällt wurde. Da ihr Holz aus Ehrfurcht niemand als Bauholz verwenden wollte, diente sie bis 1866, bis zur Zollunion, als Zoll- und Grenzbaum an der Grenze zwischen den Gebieten der Askanier und der Welfen. Selbst danach wollte sie niemand haben, und man verwendete sie schließlich als Sitzgelegenheit in der alten Steinkapelle des Dorfes Lübbow (siehe Meschkank, S. 34f.).