Aktuelles

28.03.2022

Todaustragen – Vertreibung des Winters

Die Berichterstatterin auf dem Treffpunkt
Die Berichterstatterin auf dem Treffpunkt

 

Für uns Lausitzer Heiden ist das Todaustragen zum Frühlingsanfang schon zu einer beliebten Tradition geworden. Hierbei handelt es sich um einen alten Brauch, bei dem der Winter ausgetrieben wird. Auch in diesem Jahr trafen wir uns am 20. März vor dem Sorbischen Schul- und Begegnungszentrum in Bautzen. Als heidnischer Priester hatte Richard aus Pappe und Stroh eine Puppe angefertigt, die den Tod bzw. den Winter, die Kälte und die Dunkelheit symbolisierte und deshalb aus der Stadt herausgetragen werden sollte. Unsere Prozession mit insgesamt vier Teilnehmern führte bei herrlichem Frühlingswetter vorbei am Gefängnis und über den Kupferhammer bis in einen kleinen, uns schon bekannten Auwald. Im Uferbereich der Spree stellten wir uns im Kreis auf. Ich konnte deutlich wahrnehmen, dass der Ort an diesem Nachmittag eine Menge an positiver Energie an uns abgab. Unser Priester begann die Zeremonie mit einer Opfergabe. Er opferte den Geistern der Umgebung Brot. Anschließend sprach er den Mythos über Peruns Tochter Mara, welche sich nach dem Mord ihres untreuen Verlobten Jarowit in die Wintergöttin Morana umgewandelt hatte.

 

Martin aus Dresden sagte ein altes aus Litauen überliefertes Frühlingsgebet auf, das er zuvor ins Sorbische übersetzt hatte. Weiterhin sprach er ein Gebet zum Jarowit und Perun. Er bat sie, uns in der künftigen Zeit zu begleiten.

 

Danach erörterte ich die Bedeutung der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche für die Vorgänge in der Natur und trug mein Gedicht „Frühlingslied“ vor.

 

Im weiteren Verlauf der Zeremonie gab der Opferpriester der Strohfigur zum Abschied noch etwas Brot und Honigwein, zündete sie an, um sie dann brennend in die Spree zu werfen. Mit diesem Ritual wurde der durch die Puppe symbolisierte Winter zwischen die Welten der Lebendigen und der Toten befördert, wo er bis zum Beginn der dunklen Jahreszeit verweilen wird.

 

Nun reichte Richard ein mit Met gefülltes Trinkhorn und etwas Brot in die Runde. Wir dankten den Göttern und den Geistern des Ortes für diesen milden und sonnigen Frühlingsbeginn und für die Möglichkeit das Erwachen der Natur in unmittelbarer Nähe der Stadt zu erleben.

 

Antje Sturm

 

26.03.2021

Die Todesgöttin aus der Stadt gejagt

Der Opferpriester wirft ein Idol des Winters zwischen die Reiche der Lebendigen und der Toten.
Der Opferpriester wirft ein Idol des Winters zwischen die Reiche der Lebendigen und der Toten.

Nach dem einjährigen Wüten der Weltseuche, bei dauernden Verboten und Auflagen fühlen wir wieder ein stärkeres Bedürfnis nach gegenseitiger Menschennähe. Das spiegelte sich im heurigen Todaustreiben wider, als wir uns am Sonnabend Nachmittag dem 20. März vor dem Sorbischen Gymnasium trafen. In einer Zahl von dreizehn Erwachsenen und Kindern begaben wir uns am Gefängnis und Kupferhammer entlang in einen kleinen Auwald am Spreeufer.

 

Als heidnischer Priester bat der Verfasser dieser Zeilen die Anwesenden aus Bautzen, Dresden, Malschwitz und Niedergurig, zu einem Halbkreis zusammenzutreten, und sagte ihnen eine Mär über die unglückselige Liebe von Jarowit und Mara. Antje Sturm aus Sollschwitz erläuterte die Bedeutung des Festes, wies auf einen ähnlichen Brauch in Litauen hin, rezitierte ihr Frühlingslied und erinnerte sich an Erzählungen ihres Vaters über das Todaustragen hinter der böhmischen Grenze. Der Opferer verabreichte der Strohpuppe ein Stück Brötchen sowie einen Schluck Met auf ihren letzten Weg. Den Rest reichte er herum und vergaß nicht einmal die Geister des Ortes. Wir sind dankbar, am Rande der Oberlausitzer Metropole ein Stück freie Natur zu haben!

 Richard Bígl

30.03.2020

Die Strohpuppe aus Bautzen hinausgetragen

Das Idol von Morana vor ihrem Austreiben aus der Stadt
Das Idol von Morana vor ihrem Austreiben aus der Stadt

 

Unter sehr ungewöhnlichen Umständen fand am 20. März der altertümliche oberlausitzische Brauch des Todaustreibens statt. Fast alle Menschheit plagt sich seit einigen Wochen mit einem neuartigen Coronavirus, das die Leben besonders von alten und und geschwächten Leuten bedroht. Vor allem die Angst der Menschen vor einer Ansteckung hatte verursacht, dass ich den Tod heuer allein austrug. Ich freute mich darüber nicht, denn das Heidentum ist für mich eng verbunden mit Kollektiv, mit gemeinsamen Erlebnissen. Die düstere Befindlichkeit am ersten Frühlingstag wies jedoch umso klarer auf den grundlegenden Sinn der Feier hin: das Bekenntnis zu einem Schöpfungsmythos. Demzufolge sagte ich am Spreeufer die Geschichte über die Wintergöttin her, die jeden Lenz stirbt, um dem die Erde belebenden Jarowit Platz zu machen. Ich bedanke mich bei den Göttern für alle ihre Gaben! Auch für diejenigen, die uns vielleicht bald nur im Gedächtnis bleiben.

 Chotěbud

06.03.2020

Lichtmess – Imbolc

Der Ursprung des Festes Lichtmess wird heute im heidnischen Glauben gesehen. Das moderne Heidentum geht davon aus, dass das am 2. Februar gefeierte christliche Lichtmess-Fest, dessen Datum von Weihnachten abhängt, eine Übernahme des keltischen Imbolc-Festes durch die Kirche ist. Die Weihe der neu gefertigten Kerzen ist noch ein kleines Überbleibsel des geweihten jungfräulichen Lichtes. Die Jungfräulichkeit bezieht sich auf die göttliche Jungfrau Brigid und auf das noch junge, zarte Licht im Februar. Da passt dann natürlich auch der neue Name „Maria Lichtmess“.

 

Das alte keltische Fest Imbolc oder auch das Fest der Göttin Brigid wird in der Nacht vom 1. zum 2. Februar oder an manchen Orten auch zum 2. Vollmond nach der Wintersonnenwende gefeiert.

 

Aus vorchristlicher Zeit sind mir bis jetzt ausschließlich Überlieferungen bekannt, die besagen, dass das Imbolc-Fest von den Kelten sowie in Irland begangen wurde. Darüber hinaus kenne ich keine heidnischen Bräuche der Germanen und Slawen für ein Vorfrühlingsfest, welches wie Imbolc Anfang Februar stattfand. Die Bräuche unserer Vorfahren zum Lichtmess-Fest sollen auf eine Zeit zurückreichen, in der das Christentum bereits allgegenwärtig war. Vermutlich ist das ursprünglich heidnische Imbolc-Fest in unserem Raum erst mit der Verbreitung des Christentums als Lichtmess bekannt geworden. Die heidnischen Wurzeln der Bräuche sind jedoch heute noch erkennbar. Für mich wäre interessant zu wissen, ob für unsere Region bzw. in Schlesien, Böhmen und Österreich eventuell doch Belege für heidnische Rituale zwischen Wintersonnenwende und Frühlingsanfang existieren.

 

In Aufzeichnungen von wendischen Traditionen und Bräuchen wird das niedersorbische Fest zapust beschrieben, welches etwa in das Zeitfenster um Lichtmess passen könnte. Besonders dem historisch älteren Bestandteil des zapustes, dem Zampern, werden heidnische Wurzeln zugeordnet. In diesem Zusammenhang wird die „Lebensrute“, welche die im Frühjahr neu steigenden Lebenskräfte symbolisierte, erwähnt. Hier sind Parallelen zum Imbolc-Fest erkennbar. Interessant ist, dass im Zampern früher der Storch als Symbol des beginnenden Frühlings oder der Bär als Symbol des abziehenden Winters verwendet wurden. Der Bär war auch ein Lichtmess-Symbol.

 

In der Natur ist Lichtmess das Fest des zunehmenden Lichtes und der Höhepunkt zwischen Wintersonnenwende und Frühlingsäquinoktium. Zu dieser Zeit herrscht noch Winter. Aber die Tage werden schon länger. Das zur Sonnenwende neugeborene Licht hat endlich gesiegt. Zu Lichtmess ist es im Vergleich zur Wintersonnenwende, dem kürzesten Tag im Jahr, bereits insgesamt eine Stunde länger hell. Flora und Fauna erwachen allmählich aus der Winterstarre.

 

Beim keltischen Imbolc-Fest wird in diesem spürbar wachsenden Licht, das ebenfalls das zunehmende Licht der Seele symbolisiert, sowie in der erwachenden Natur die Lichtgöttin Brigid verehrt und mit einem Feuerfest begrüßt. Die weiße Brigid tritt an die Stelle der schwarzen Göttin Percht, die für den Winter und die Dunkelheit steht. In der keltischen Mythologie wird die Lichtgöttin in Verbindung mit der Sonne und dem Feuer dargestellt. Der erste ersehnte Sonnenstrahl, der die Erde erwärmt, wird als Brigids feuriger Pfeil wahrgenommen. Es heißt, dass Brigid zwischen den Welten, weder im Haus noch außer Haus, sondern auf der Türschwelle ins Leben trat. Deshalb wird Imbolc einerseits in der erwachenden Natur begangen; aber andererseits war es schon in alten Zeiten ein Fest, welches die Familie im Haus zusammen feierte. Schon aufgrund der Beziehung Brigids zum Herdfeuer gilt es auch als häusliches Fest. Die wenigen volkskundlichen Überlieferungen verdeutlichen, dass die alten Rituale sich häufig auf einen Hauskult, in dessen Mittelpunkt eine intensive Reinigung stand, bezogen. Dabei handelte es sich um die rituelle Reinigung von den Härten des Winters. Auch der traditionelle Frühjahrsputz könnte seine Herkunft im Imbolc-Fest haben.

 

Das keltische Fest wird auch häufig als Oimelc in Ableitung von dem Wort „Milch“ bezeichnet. Das bedeutet, dass bald die Frühlingslämmer geboren werden und die Mutterschafe wieder Milch geben. Dazu passt eine unserer alten Bauernregeln: „Nach Lichtmess kann der Bauer Eier und Milch haben.“ Oder auch das Eieressen beim sorbischen Zapust-Fest.

 

Der alte Glaube besagt, dass Brigid zu Imbolc die Bäume wachrüttelt, so dass ihre Säfte wieder fließen und die Bienen wieder fliegen. Auch bei uns erinnern sich heute noch ältere Leute, dass früher die Bauern am Lichtmesstag ihre Obstbäume wachrüttelten. Diesen schönen Brauch möchte ich gern wiederbeleben.

 

Ein altes Imbolc-Ritual war das Basteln von Strohfiguren oder das Aufhängen von Pentagrammen, die als Schutzzeichen und Heilsbringer dienten.

 

Lichtmess gilt in der heutigen Zeit noch immer als Lostag. Es gibt überlieferte Bauernregeln, die auf regionaler Erfahrung beruhen und eine einfache Wettervorhersage ermöglichen, wie Z.B.:

 „Wenn's zu Lichtmess stürmt und schneit,
ist der Frühling nicht mehr weit;
ist es aber klar und hell,
kommt der Lenz wohl nicht so schnell.“

 

 Um zu erfahren, wie lange der Winter noch anhalten wird, wendete man sich auch an jene Tiere, die in Erdhöhlen ihren Winterschlaf halten. Das war in alten Zeiten vor allem der Bär. War es zu Lichtmess sonnig und warm, hieß es, dass der Bär noch sechs Wochen in seiner Höhle bleiben muss. Sechs Wochen ist die Zeit bis zur Tagundnachtgleiche. Dann sollte der Bär seinen Schlaf endgültig beendet haben, und der Bann des Winters war gebrochen.

 

Die modernen Heiden wandten sich wieder den alten, keltischen Bräuchen zu und erweiterten sie in manchen Gegenden noch um Kerzenweihen.

 

Nach neuheidnischer Auffassung ist Brigid oder auch Brigitte die Göttin des Feuers, der Heilung und der Fruchtbarkeit. Das Anzünden des Feuers symbolisiert die in den nächsten Monaten zunehmende Kraft der zur Wintersonnenwende wiedergeborenen Sonne.

 

Die allmähliche Ausbreitung des Neuheidentums wird langfristig dazu beitragen, dass das alte keltische Imbolc-Fest über seine ursprünglichen Grenzen hinaus in ganz Europa an Bekanntheit gewinnt. Dann wird es, unter welchem Namen auch immer, seinen Platz in der Natur und in unseren Häusern wiedererlangen.

 

Als Jahreskreisfest habe ich auch das Lichtmess-Fest eng mit meinem Leben verbunden. Ich feiere es am 2. Februar von Sonnenaufgang bis Mitternacht, um die kraftvolle Energie des nahenden Frühjahrs aufzunehmen. Ich erlebe Lichtmess als Naturfeiertag sowie als Lichterfest im Haus am Kaminfeuer. Als Neuheidin orientiere ich mich hierbei auch an den alten überlieferten keltischen Ritualen sowie an regionalen Bräuchen und Wetterbeobachtungen. Ich verwende beide Namen; Imbolc meist in Verbindung mit der Lichtgöttin, und Lichtmess, weil es in unserer Region bekannter ist und ich es von meiner Großmutter und meinem Vater noch so kenne.

 

Nach alter Überlieferung war der Herrschaftsantritt der Weißen Göttin das Ende der Weihnachtszeit. Hier können wir wieder eine Überschneidung von christlichen und heidnischen Traditionen feststellen. Ich gehe die Dinge eher pragmatisch an. Mitunter ist es nicht mehr feststellbar, ob ein überliefertes Ritual älter als das Christentum ist oder nicht. Für mich spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Fühlt es sich richtig an und kommt eine gewisse Naturverbundenheit zum Ausdruck, so passt es auch zu mir als Heidin. Dann spricht nichts dagegen diesen Brauch zu pflegen. Das betrifft z. B. das Ende der Weihnachtszeit am 2. Februar sowie das Wachrütteln der Obstbäume. Zu Lichtmess achte ich ganz besonders auf die Zeichen, welche die Natur uns gibt.

 

Meine Familie, das heißt mein Mann Manfred und unsere beiden Söhne, feiern das Lichtmess-Fest nicht. Sie können damit nichts anfangen. Für unsere Söhne hat Lichtmess noch als Lostag eine Bedeutung, da sie das noch von ihren Großeltern wissen. Manfred beziehe ich manchmal in mein Ritual mit ein. Dann bekommt er kleine Aufgaben von mir, wie jetzt zum Beispiel Feuer hüten, Heraustragen, Wiedereinpflanzen und Gießen des Tannenbaumes, Asche wegtragen u. s. w.

 

Mit den Vorbereitungen für das Fest begann ich am 1. Februar. Als erstes reinigte ich mit Manfred gründlich unser Haus. Im Anschluss daran dachte ich mir ein kleines Gebet zur Anrufung der Lichtgöttin aus. Am Abend schmückte ich einen Strauch im Garten mit Bändern in den Farben Weiß für den Winter, Grün für das Leben und Rot für die Flamme. Auf einen steinernen Tisch stellte ich fünf weiße Kerzen in einem pentagrammförmigen Kerzenständer auf sowie einen Schmelztiegel, den ich mit Wachsresten und getrockneten Kräutern befüllte. Die Feuerstelle bereitete ich mit trockenem Reisigholz vor. Weiterhin stellte ich, einen Räucherstab, ein Gefäß mit Regenwasser sowie eine Schale mit Erde und einem Stein bereit. Damit symbolisiere ich bei meinen Ritualen immer die vier Elemente: Luft, Feuer, Wasser und Erde bzw. Stein.

 

Am Morgen des 2. Februar hielt ich zuerst nach dem Wetter Ausschau, um festzustellen, ob der Frühling bald beginnen wird. Früh sowie am Vormittag war es ziemlich stürmisch, aber klar und hell und die Sonne zeigte sich ab und zu.

 

Als ich früh in unseren Garten ging, war die Energie des Frühlings schon deutlich spürbar. Ich nahm diese Energie auf, denn sie bringt Heilung und Lebenskraft.

 

Unsere Weihnachtsbäume, die ich immer am Ende der Raunächte abschmücke, verbrannten wir bisher jedes Jahr im Kamin. Heuer hatten wir eine Tanne mit Wurzeln in einen Topf gepflanzt. Diese blieb abgeschmückt bis Lichtmess im Wohnzimmer stehen, wo wir sie regelmäßig gossen. Wir wollten den eingetopften Tannenbaum zu Lichtmess wieder im Garten einpflanzen. Das übernahm Manfred. Währenddessen rüttelte ich nach altem Brauch unsere Obstbäume wach. Dann gingen wir zum gewohnten Tagesablauf über.

 

Das Wetter behielt ich im Auge. Am Nachmittag begann es zu regnen und der Wind ließ etwas nach. Am Abend regnete es noch etwas und es war fast windstill. Am späten Abend nahm der Wind wieder zu. Bei den für Februar relativ hohen Temperaturen war an Schnee nicht zu denken. Es war also schwierig, über den Beginn des Frühlings zu orakeln. Ich meine aber, dass es nicht kalt genug war, um auf ein baldiges Nahen des Frühlings zu hoffen.

 

Am Abend vollzog ich nach neuheidnischem Glauben ein Ritual zur Ehrung der Lichtgöttin. Damit wollte ich meine Verbundenheit zur Natur stärken und meinen innere Rhythmus wiederfinden.

 

Da Brigid mit dem Feuer in Verbindung steht und sie in überlieferten Darstellungen immer von Lichtsäulen und Flammen begleitet wird, entzündete ich bei Sonnenuntergang ein Feuer. Das war nicht so einfach, denn durch den Regen war das Holz im Feuerkorb feucht geworden. Nach ein paar Versuchen konnte ich dann das Feuer doch noch entfachen und sprach: „Mit diesem Feuer feiere ich die Kraft des Lichtes, das alles durchdringt und die Natur wieder neu erwachen lässt. Es steht für die wiederkehrende Sonne, die ich heute begrüßen möchte.“

 

Der vorbereitete Tisch diente mir als Altar. Um das Feuer sowie um den Altar zog ich einen Kreis, der den Ort des Rituals abgrenzen sollte. Den Verlauf des Kreises von Osten über Süden, Westen und Norden nach Osten schritt ich dreimal ab und zeigte seine Grenze mit einem Messer an. Dafür benutzte ich ein kleines, geschnitztes Holzmesser. Während ich im Kreis ging, sagte ich dreimal einen alten Spruch auf, den ich schon als kleines Kind von meiner Großmutter gelernt habe und der das Wachsen des Lichtes beschreibt: „Zu Weihnachten ein Hahnentritt, zu Neujahr ein Menschenschritt, zu Heiligen drei Königen ein Katzensprung, zu Lichtmess eine ganze Stund‘.“ Nach der dritten Runde erklärte ich den Kreis für geschlossen.

 

Dann hielt ich den Räucherstab in den Flammen, bis er anfing zu glimmen, und ordnete ihn als Symbol für die Luft auf der östlichen Seite des Tisches an. Als Nächstes zündete ich die Kerzen sowie das Wachs im Schmelztiegel an. Diese bekamen auf der nach Süden gewandten Seite ihren Platz. Die Wasserschale stellte ich in westlicher und die Erde sowie den Stein in nördlicher Richtung auf. Danach rief ich die Göttin mit meinem neuen Gebet:

 „Brigid, du weiße Göttin, Königin des Lichts,

ich zünde weiße Kerzen für dich an.

Stehe hier am Imbolc Feuer, hör‘, ich rufe dich

und wünsche mir, dass ich deine Nähe fühlen kann.“

 

Das war für mich ein sehr feierlicher Moment. Für eine Weile genoss ich die Stille und das Knistern des Feuers.

Als Getränk hatte ich mir mit Honig gesüßten Früchtetee zubereitet. Die ersten Tropfen goss ich zu Ehren der Göttin auf die Erde. Als Opfergabe legte ich etwas Brot sowie ein paar Nüsse, Sonnenblumenkerne und Rosinen auf die Wiese. Damit dankte ich der Lichtgöttin dafür, dass ich bisher gesund durch die dunkle Jahreszeit gekommen bin, sowie für die nun immer heller werdenden Tage. Ich dankte ihr auch für das Licht, dass sie in meine Seele gebracht hat. Nun überlegte ich mir einige Gründe, weshalb das zunehmende Licht für mein Leben im Einklang mit der Natur eine ganz besondere Bedeutung hat. Ich bat die Göttin darum, dass sie mit ihrer heiligen Flamme uns bald die Wärme des Frühlings wiederbringt, damit wir unseren Garten bestellen können. Von ihr als Göttin der Heilung und aufgrund ihrer Verbundenheit mit dem Herdfeuer erbat ich Gesundheit und Schutz für meine Familie, meine Freunde und für mich.

 

Eine Weile blieb ich noch im Kreis stehen und hörte auf die Stimmen der Dunkelheit. Dann öffnete ich den Kreis, indem ich die Runde in entgegengesetzter Richtung ging.

 

Nach meinem Ritual kam Manfred, der es sich einstweilen im Haus am Kaminfeuer gemütlich gemacht hatte, auch noch einmal nach draußen. Er brachte etwas zu essen und zu trinken mit und legte auch etwas Holz in den Feuerkorb nach. So standen wir noch einige Zeit am Feuer. Zum Abschluss sang ich das Lied „Eh noch der Lenz beginnt“ von Abraham Emanuel Fröhlich. Das ist das einzige mir bekannte Lied, welches die Zeit um Lichtmess sehr treffend beschreibt. Ich habe es aber leise gesungen, um die Nachbarn zu so später Stunde nicht zu stören.

 

Den alten Spruch, den ich in meinem Ritual zum Schließen des Kreises aufsagte, habe ich vor Kurzem so ähnlich im Internet wiederentdeckt: Zu Weihnachten ein Mückenschritt, zu Neujahr ein Hahnentritt, zu Heilig Drei Könige ein Hirschensprung und zu Maria Lichtmess eine ganze Stund‘. Dazu hieß es: „Nicht nur dass der lichte Tag seit der Wintersonnenwende bereits um eine Stunde länger ist, sondern auch viele ‚Wettervorhersagen‘ gibt es für den alten Bauernfeiertag!“ Möge dieser Feiertag vor allem in den ländlichen Regionen nicht in Vergessenheit geraten!

Antje Sturm

02.01.2020

Ahnenfest in Breslau

 

Ich fahre verhältnismäßig oft nach Breslau. Daher konnte ich mich am Sonnabend, dem 26. Oktober 2019, an einer Totenfeier beteiligen, zu welcher mich der dortige Bund Watra eingeladen hatte.

 

Demnach begab ich mich in den Stadtteil Wilhelmsruh, wo es einen überaus ruhigen und fast idyllischen Holm zwischen Oderkanälen gibt. Die Insel mutet nahezu wie ein Wäldchen an, wenn man nicht daran denkt, dass es eigentlich in der Großstadt ist.

 

Zu 16:00 Uhr hatte die Watra eingeladen, aber nur eine Hand voll Menschen war mehr oder weniger pünktlich. Die Zeremonie hat viel später begonnen, als es schon dunkel war. Die Zwischenzeit nutzte ich für Geplauder. Jeder sollte sich auch eine Maske aus schwarzem Leder basteln. Ich zweifelte daran, ob es mir gelingt, denn ich bin keineswegs künstlerisch begabt, aber ich wollte es irgendwie versuchen. Und wie ich befürchtet hatte – meine Larve geriet nicht gut. Sie hatte einen ziemlich krummen Mund, Nase hatte sie gar keine (weil ich sie nicht noch mehr verstümmeln wollte). Glücklicherweise ging es jedoch am Ende nicht um die Schönheit der Masken.

 

Als es beinahe finster war, hat Rafael (Rafał), welcher das Ritual anführte, die Anwesenden über den Sinn des Festes aufgeklärt. Die Larven sollten vor den bösen Geistern schützen. Etliche Teilnehmer hatten sich keine Maske gefertigt, aber laut Rafaels Worte bestünde für sie dadurch keine Gefahr. Es handelte sich bei diesem Brauch vielmehr um die Symbolik.

 

Das Ritual fing mit einigen Gebeten an. Rafael versuchte ein Feuer anzuzünden, im Reigen sangen wir dabei: „Gore, gore jasno, żeby nie zagasło.“ Es dauerte jedoch lange, bis es Rafael gelungen war, das Feuer zu entfachen.

 

Rafael und Dorothea (Dorota) setzten die Gebete und Lieder fort. Wie unsere slawischen Vorfahren opferten sie den Göttern Brot und Met. Da ich die heidnischen Rituale noch nicht gut kenne, hatte ich keine besondere Opfergabe gekauft. Ich erinnerte mich jedoch daran, kleine Pfefferkuchen für ein Gelage nach der Zeremonie mitzuhaben. Nichts also sprach dagegen, dass ich einige von ihnen für die Götter in die Flammen warf. Die meisten Anbeter brachten das Brot dar.

 

Der Priester und die Priesterin riefen uns auf, die Seelen unserer Ahnen zur Feier einzuladen – wir sollten sie flüsternd beim Namen rufen. Für mich war es ein besonderes Erlebnis, hier in Breslau die Seelen meiner Vorfahren einladen zu dürfen, welche in dieser Stadt bis zum Kriege gewohnt und sich zu Hause gefühlt hatten.

 

Da lud ich meine Großmutter Margot, Urgroßmutter Getrud, Urgroßvater Alfred, Großtante Berta, Ururgroßmutter Katarzyna und Ururgroßvater Cicho (das war sein Spitzname) ein. Ich meine, dass es ihnen, die hier ihre Heimat gehabt hatten, auch eine große Freude machte, vor allem wohl meiner Großmutter, die zeitlebens ungemein an ihrer Vaterstadt gehangen hatte. Meine Ururgroßmutter war jedoch Polin gewesen – sie stammte aus der Posener Gegend – und ich lud ihre Seele zum polnischen Fest ein. Auch den herbeigerufenen Seelen der Vorfahren opferten wir noch.

 

Nach dem Ritual ließen wir uns in einer regen Gesprächsrunde noch leckeren Met, Salat und anderen Imbiss schmecken. Ziemlich spät bin ich dann in die Pawelwitzer Herberge gefahren. Ich denke, dass ich nächstes Jahr wieder zum Ahnenfest gehen werde.

 

Martin Schünemann

 

23.04.2019

Frühlingsfest in Breslau

Das Holzsammeln
Das Holzsammeln

Godъ war für die Urslawen eine sich für die Veranstaltung der Jahresfeier eignende Zeit. Hody (weihnachtliche Tage) an der Scheide des alten und neuen Jahres feiern die Sorben bis zum heutigen Tag. Die polnischen Heiden begehen jedoch außer der winterlichen gody – der so genannten  szczodre – noch andere, die jare  (auf Deutsch heftige, üppige, kräftige) heißen. Sie feiern sie am Sonnabend Nachmittag zu Beginn des Frühjahrs, und diese haben so anmutigen Inhalt, dass wir heuer aus Sachsen hinfuhren.

 

Die Begrüßung der wärmeren Jahreszeit wurde vom Breslauer Verein Watra (Das Feuer) am 23. März veranstaltet. Ab 15:00 Uhr versammelten sich die Teilnehmer auf der Insel am Flutkanal, drei Kilometer nordöstlich vom Zentrum der schlesischen Hauptstadt. Zum ersten Mal begingen die Breslauer das Fest im Jahre 2009, damals hinter dem Kanalarm, nahe der Alten Oder. Danach veranstalteten sie das Frühjahrsfest nur noch auf der schmalen Kanalinsel, in deren westlichen Zipfel nur ein einziger Weg führt. Die künstliche Insel ist für die niederschlesischen Heiden noch deshalb wichtig, weil sie darauf ihr Heiligtum erbauen wollen. Nach dem Sammeln des Geldes für einen Architekten und Material, erhoffen sie sich eine amtliche Genehmigung.

 

Bei wolkenlosem, warmem Wetter fingen einige Freiwillige an, eine Strohpuppe auszustaffieren. Einer hatte das Gesicht aus Holz geschnitzt. Auch ein vornehmes Kleid zog man ihr an, so daß sie mir eine Königin zu sein schien. In meiner Vorstellung sieht die Winter- und Todesgöttin häßlicher aus. Aus dem umliegenden Hain trugen die Männer Holz auf den Scheiterhaufen zusammen. Die Frauen säuberten den Opferplatz von kleinen Abfällen, welche dort zufällig lagen, und kehrten trockenes Laub weg, damit das grüne Gras zu sehen ist. Sechs Mädchen sangen am Ufer Kreisreigen tanzend Volkslieder (vor allem ukrainische). Sogar zwei Musikanten begannen mittelalterliche Musik auf einem Violoncello und einer Geige zu spielen. In der Mitte des Opferplatzes erhebt sich eine hölzerne Säule. Von Zeit zu Zeit beschädigen sie Vandalen an der Oberfläche, weshalb die Gläubigen einen Kopf für die Perun-Statue brachten und zur Frühlingsfeier gesondert aufsetzten. Dem Bautzener Berichterstatter fiel wegen seiner Körpergröße sogar die Ehrenaufgabe zu, das Haupt nach der Feierlichkeit abzunehmen.

 

Ungefähr sechzig Gläubige traten in einen Kreis zusammen. Der Priester Rafał Merski erinnerte sie an die Notwendigkeit, Handys auszuschalten, und erklärte den Neulingen den Ablauf der Zeremonie. Sie dauerte verhältnismäßig lange und beinhaltete sowohl das Ertränken von Marena, als auch Verherrlichung von Gottheiten der sich wieder gebärenden Natur. Vor bösen Geistern wurden wir durch Gerassel zweier Klappern geschützt. Die Priesterin Dorota Sołęga erzählte uns einen Mythos über die Göttin Mara und deren Bruder Jarylo. Einen nach dem anderen bespritzte sie mit Wasser, wodurch wir Kraft für das neue Jahr bekamen. Um die Erdgöttin Mokosch zu ehren, rollte sie farbige Eier auf dem Gras. Je ein hart gekochtes erhielt auch jeder Teilnehmer. Auf ein gebackenes Brot legten wir unsere Hände, um uns geistiger und körperlicher Schmerzen zu entledigen. Der Laib wurde vom Priester in die Flammen geworfen.

 

Nach dem Ritual blieben viele unter den Wipfeln der Bäume stehen, um sich zu unterhalten. Wir tranken Met, aßen Kekse und freuten uns beide darüber, mit unseren polnischen Brüdern den alten slawischen Brauch zu pflegen. Unvermutet vermittelte uns der Priester eine peinliche Nachricht – die Polizei lauscht an der Brücke. Geschwind begossen wir das Feuer mit Flußwasser und machten uns auf den Rückweg. Beamte erkannte ich glücklicherweise keine, angeblich schnüffelten dort bloß die Geheimagenten. Die Teilnehmer, welche Lust hatten, fuhren noch in den Club Salonik, wo Watra zehn Jahre seines Bestehens feierte und zugleich den vierzigsten Geburtstag des Obmannes Rafał. Mitten im Spielmannsrepertoire erklang unverhofft das sorbische Lied Daj mi jedno jajko.