Mokosch

Mokosch. Moderne Holzskulptur in Mokoschin. Foto: Dr. Baal Müller
Mokosch. Moderne Holzskulptur in Mokoschin. Foto: Dr. Baal Müller

Die Herrin der feuchten, fruchtbaren Erde ist neben der polabischen Siwa die einzige sicher bezeugte und bis weit in die Neuzeit verehrte Göttin des slawischen Pantheons. Sie wird dem ostslawischen Bereich zugerechnet; verschiedene Ortsnamen wie Mokošín (Tschechien), Muuks (Vorpommern) und Moggast (Oberfranken) legen aber nahe, daß sie auch im westslawischen Raum verehrt wurde, weshalb wir sie in unsere Darstellung mit einbeziehen. Ihr Name ist mit mok- / mokr-, "feucht", verwandt; sie war die Göttin der Fruchtbarkeit und Personifikation der mütterlichen Erde. Hinsichtlich des Fruchtbarkeitsaspektes überschneidet sich ihr Archetyp mit dem Siwas, aber während diese mehr die hellen, lichten, lieblichen Aspekte der Weiblichkeit in ihrer ewig-jungen Schönheit verkörpert, tritt uns in Mokosch ein düsterer, erdhafter, zur Tiefe ziehender, aber auch aus dieser empor gebärender Charakter des Weiblichen entgegen. Wollte man beide den vier Elementen zuordnen, so wird man Feuer und Luft als Gefilde Siwas, Erde und Wasser als die Reiche der Mokosch ansehen. Im antiken Kontext gesellt sie sich zur Magna Mater, Kybele, Hera, Demeter, Persephone (dabei vielleicht mehr den Mooren und Flußauen als dem Ackerland vorstehend), und besonders ist sie der iranischen Ardvi Sur Anahita (ardvi = feucht) verwandt, die als Walterin der Lebenskraft wie Mokosch für Ernte, Vieh, insbesondere Schafe, und gute Geburten sorgte. Zusätzlich ist Mokosch noch die Beschützerin des Spinnens - in dieser Rolle lebte sie in der nordrussischen und ukrainischen Folklore als dämonische Gestalt mit einem übergroßen Kopf und langen Händen fort, die nachts die Bauernhäuser aufsuchte und bereitgelegtes Werg fertigspann, dabei aber auch jemanden, der ihr begegnete, einspinnen (mit seinem Schicksalsfaden fesseln?) konnte. Eine große Ähnlichkeit zeigt sie in dieser späten, derivativen Gestalt mit der bayerisch-österreichischen Frau Percht, einem ebenfalls über das Spinnen wachenden, bald furchterregenden und strafenden, bald gutmütig-belohnenden Dämon, der während der Rauhnächte umging. Der Volksbrauch des Perchtenlaufens, die Veranstaltung von Masken-Umzügen, hat sich im Alpenraum bis ins 20. Jhdt. gehalten und erfuhr in den letzten Jahren eine Wiederbelebung.

 

Mokosch gehörte dem "Povest vremennych let" nach, als einzige weibliche Gottheit, zu den sechs Hauptgöttern, denen Vladimir I. im Jahre 980 in Kiew Standbilder aufstellen ließ. Weiterhin berichten über sie die Nestorchronik sowie Traktate und Predigten des 11. und 12. Jhdts. Ihre Verehrung wurde als Fruchtbarkeitskult offenbar auch mit ausschweifenden Ritualen vollzogen - der "Slovo sv. Grigor'ja" entrüstet sich über die "Verehrung der Schamglieder", bei der die aus diesen "herausfließende Flüssigkeit gekostet wird" (siehe Reiter, S. 68). Noch im 16. Jhdt. erkundigten sich die Priester bei beichtenden Frauen, ob sie auch "nicht zur Mokosch gingen" oder "zu Nixen, Rod, Rožanicen, Perun, Chors und Mokosch beteten" (Váňa, S. 81). Mokosch galt also nicht nur als "Mutter Erde", sondern auch im Hinblick auf die menschliche Empfängnis als Spenderin der Fruchtbarkeit und erfreute sich besonderer Beliebtheit, aber auch - in ihrer dämonisierten Spätform - einer scheuen Faszination.